14. Dez
2016

Weihnachtsbriefe der Mädchen aus Indien

Zu Weihnachten haben uns wieder mit prächtigen Gemälden verzierte Weihnachtsbriefe der Mädchen aus den beiden Internaten Anugraha und Shanti Dhama erreicht, wo jeweils 40 Mädchen bis zur 10. Klasse in die Schule gehen, und aus Premanjali in Mysore, wo gegenwärtig 29 Mädchen das nahegelegene College besuchen.

Aus diesen Briefen wird abermals deutlich, dass viele der Kinder ziemlich kaputte kleine Menschen sind, wenn sie im Internat aufgenommen werden: häufig missbraucht, geschlagen und aus tiefster Armut und Rückständigkeit kommend, und wie es die Schwestern verstehen, ihnen Freude und Motivation fürs Leben zu geben.

Ein großes Geheimnis ist in den Heimen schon durchgesickert: Alle Mädchen bekommen ein neues Gewand zu Weihnachten. Snehal aus der 1. Klasse kann es kaum glauben, dass es so etwas gibt, und Geschenke gibt es auch noch, hat Klawdia von den Älteren gehört. Sie ist neu, erst fünf Jahre alt, und kann noch nicht schreiben, weil sie erst in der Vorschule ist. Aber weil sie ein besonders aufgeschlossenes kleines Mädchen ist, hat LIFT sich entschlossen, sie auf eine Privatschule zu schicken, wo in Englisch unterrichtet wird. Dorthin fährt sie jeden Tag mit dem Bus „mit meiner Freundin Suzana“, die schon zwölf ist, und in die 5. Klasse geht. Suzana ist eine Siddi, wie sie schreibt, also ein schwarzes Mädchen. „Wir leben im Wald. Ich bin intelligent, und meine Lehrer ermuntern mich ständig, viel zu leisten, weil ich mal Ingenieurin werden möchte“.

Auch die fünfjährige Sweety gehört zu den vier Mädchen, die zu unserem „Experiment“ englischsprachige Schule gehört. Die ist zwar teuer, aber wir glauben, dass besonders begabten Mädchen dadurch besondere Chancen eröffnet werden. Die haben Sweetys ältere Schwestern Gracy, 7. Klasse, und Lekhan, die schon in Mysore aufs College geht, noch nicht gehabt. Lekhan will Ärztin werden, „für die Armen“.

Viele Kinder schreiben „ich bin glücklich hier (in Anugraha und Shanti Dhama), denn alle lieben mich.“ Die Schwestern Asha und Santani: „Die Eltern streiten sich ständig und trinken Alkohol. Der Vater zeigt keine Verantwortung. Unsere ältere Schwester haben sie aus der Schule genommen und zum Arbeiten geschickt.“ Noch deutlicher wird die achtjährige Ishwari:“Meine Mutter habe ich nie gesehen. Sie hat mich verlassen, als ich noch ein Baby war und ist einfach weggegangen. Ich habe nur meine Großmutter, aber die trinkt, und dann schlägt sie mich.“

Alkoholismus des Vaters und Gewalt in der Familie sind ein durchgehendes Thema in den Briefen. Aber es wird auch über ein sehr indisches Unwesen berichtet, dass nämlich ganze Familien nach dem Tod des Vaters von dessen Brüdern aus der Behausung geworfen und einfach auf die Straße gesetzt werden, weil Witwen angeblich Unglück bringen. „Erst seit wir hier sind haben wir wieder Hoffnung auf die Zukunft“, schreibt eine Vierzehnjährige.

Mehrere Mädchen berichten auch über die Schwierigkeiten ihrer Eltern, Geld zu verdienen. Immer wieder erscheint das alte Wort „Kuli“, sprich Tagelöhner „weil wir kein Feld haben“, und auch, „weil alles verdorrt ist“, nach zwei Jahren Jahrhundertdürre, die in manchen Gegenden weiter anhält. „Meine Mutter arbeitet sehr hart, aber sie verdient sehr wenig“.

Aber es wird auch über die kleinen Nöte und die großen Erfolge berichtet. „Ich habe Zahnweh“, teilt Margaret mit, „ich bin eine Anführerin“, lässt uns Nikita wissen, die als völlig verschüchtertes Kind nach Anugraha kam, und die Siebtklässlerin Jyoti berichtet stolz: „Ich bin der Champion, ich habe drei Medaillen und drei Urkunden. Das macht mich froh.“ Dass sie eine Sportskanone ist, wissen wir schon, denn vor einiger Zeit kam ein Foto, das eine freudestrahlende Jyoti und alle ihre Auszeichnungen zeigte.

Immer wieder bedanken sich die Mädchen für die Hilfe aus Deutschland. „So bekommen wir eine gute Bildung und lernen Manieren.“ Und eine Neuntklässlerin hofft, „dass die Arbeit von LIFT gut voran geht“. Das tut sie in der Tat. Unseren Spendern sei Dank.

(Gabriele Venzky)

Hinweis: Zum Schutz für die Mädchen veröffentlichen wir keine vollständigen Briefe auf unserer Website. Bei Interesse schicken Sie uns bitte eine Nachricht über das Kontaktformular. Wir schicken Ihnen dann gerne einige Briefe als PDF zu.

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